Buchvorstellung: Maya, wenn die Liebe erwacht, aus Teil 1

In diesem Artikel stelle ich Ihnen einen kleinen Ausschnitt aus meinem Roman "Maya: Wenn die Liebe erwacht" vor. Dies ist der erste von insgesamt drei Teilen.

Buchvorstellung: Maya, wenn die Liebe erwacht, aus Teil 1
Maya, wenn die Liebe erwacht

Das Wiedersehen in der Bibliothek

Maya ging regelmäßig in die Bibliothek der Nachbargemeinde. Sie lieh sich Bücher für eine gewisse Zeit aus, und nachdem sie diese gelesen hatte, brachte sie sie zurück. Mit der Zeit kannten die Angestellten sie dort und tauschten hie und da mit ihr ein paar Worte, ein Gespräch oder eine Diskussion über die Bücher, über Gott und die Welt entwickelte sich. Seit Maya ihre Arbeit vor ein paar Jahren aufgegeben hatte, nutzte sie ihre Freizeit immer mehr zum Lesen und für lange Spaziergänge, für Sport sowie für Fahrradtouren.

Maya: Wenn die Liebe erwacht, Teil

Die Bibliothek in der Nachbargemeinde gab ihr die Möglichkeit, solche langen Spaziergänge zu unternehmen. Mal ging sie zu Fuß und mal mit dem Fahrrad, eine zusätzliche Art Sport zu treiben. Der Weg zur Bibliothek verlief durch eine schöne Gegend, an mehreren Einfamilienhäusern vorbei, wo Nachbarn, Freunde und Bekannte wohnten, vorbei an Feldern, einem
Dorfbrunnen und einen Fluss entlang. Diese Abwechslung bereitete ihr große Freude. In der Nähe gab es auch einen kleinen See. Maya machte hie und da Zwischenstopps am Wasser, saß am Ufer und genoss die Natur, die frische Luft und die Ruhe. Sie dachte an das, was sie gelesen hatte oder an
ihr Leben und an ihre Familie. Wenn er freihatte, begleitete Michael sie manchmal und beide genossen den Spaziergang und die lebhaften Diskussionen, die sie zusammen führten. Mal waren die Kinder das Thema, mal das Geschehen in ihrer Gemeinde und der Umgebung und mal die Ereignisse in der
Welt.
An diesem Tag wollte sie ein paar Bücher zurückbringen. Sie fuhr mit dem Fahrrad, nachdem sie die Bücher auf den hinteren Sitz ihres Fahrrads gebunden hatte. Unterwegs sah sie ein paar Nachbarinnen, welche in ihrem Garten am Arbeiten waren. Der Frühlingsbeginn nahte bereits und alle waren beschäftigt. Sie sah auch ihre Freundin Barbara und diese lud sie zu einem Tee ein. Maya stellte ihr Fahrrad am Hauseingang ab, die Freundinnen begrüßten und umarmten sich im Garten.
Barbara sagte: „Seit ein paar Wochen habe ich dich nicht mehr gesehen. Ich hoffe es geht dir gut?“
„Danke, es geht mir sehr gut. Ich habe dich auch lange nicht gesehen“, antwortete Maya. „Ich hatte viel zu tun zu Hause. Und du weißt, zu dieser Jahreszeit gibt es im Garten immer viel Arbeit.“
Barbara fragte: „Wie geht es deinen Töchtern und deinem Mann?“ „Sehr gut“, antwortete Maya, „wir waren für ein paar Tage in Frankreich. Michael hatte ein Meeting in Paris und ich konnte ihn begleiten. Du weißt ja, er hat momentan auch viel zu tun mit den Chinesen. Und dir, wie geht es dir? Und deiner Familie?“ „Auch gut“, antwortete Barbara, „heute werde ich viele Blumen im Garten pflanzen, darunter deine Lieblingsblumen, die gelben Tulpen. Ich werde dir einige davon bringen, wenn es so weit ist. Wie ich sehe, fährst du zur Bibliothek. Was hast du zuletzt gelesen?“ Maya sagte: „Über Philosophie, Kultur und Religion sowie einige Liebesromane. Ich mache mir Gedanken über unsere Welt. Hier auf dem Land ist es friedlich und sehr schön. Das Leben auf dem Land gibt uns auch freundliche Eigenschaften
und öffnet unsere Herzen für das Leben der anderen. Ich denke viel über unser Leben nach und über das Leben der anderen. Wir haben alles hier, können uns vieles leisten. Und nur ein paar tausend, ja vielleicht ein paar hundert Kilometer von hier entfernt führen die Menschen ein ganz anderes Leben.
Die Bilder, die uns durch das Fernsehen vermittelt werden, zeigen uns, wie arm die Menschen dort sind und dass sie sich fast nichts leisten können. Nicht einmal sauberes Wasser haben sie! Ich frage mich, warum es auf unserer Welt so ungerecht ist. Einige leben in Saus und Braus und die anderen in
Elend und Armut. Es gibt im Grunde genommen genug für alle, aber die Verteilung ist sehr ungerecht.“
„Wem sagst du das“, antwortete Barbara, „solche Gedanken habe ich auch oft und ich kann keinen Grund für diese Ungerechtigkeit finden. Ich spende viel in der letzten Zeit, weiß aber nicht, ob das Geld an den richtigen Ort und bei den wirklich Bedürftigen ankommt.“
„Auch einen schönen Roman aus dem Orient habe ich vor Kurzem gelesen. Er gibt einem ein gutes Bild über die Rolle der Familie und der Liebe dort und wie die Familie die Liebe eines Mitgliedes beeinflussen kann. Hier in Europa sind wir etwas freier und können uns unsere Lebenspartner selbst
aussuchen.“ Maya machte eine kurze Pause, als ob sie darüber nachdenken würde, was sie soeben gesagt hatte. Denn sie wusste, dass auch in Europa die Eltern den Liebenden manchmal einen
Stein in den Weg legen und damit verhindern, dass die Liebe sich entfalten kann. Barbara sagte: „Ja, wir sind hier freier, aber hie und da fragt man sich, ob man nicht seine Kinder trotzdem schützen sollte.
Wenn der Sohn eine Frau oder die Tochter einen Mann nach Hause bringt, möchten die Eltern natürlich vieles wissen, denn es geht um das Glück des Sohnes oder der Tochter. Und als Eltern tragen wir die Verantwortung für unsere Kinder.“ Maya antwortete: „Ja, du hast recht, aber vielleicht sorgen wir
uns ein bisschen mehr um unsere Töchter als um unsere Söhne. Als meine Töchter mir ihre Freunde vorstellten, wollte ich vieles wissen über sie und ihre Familien. Dann sagten meine Töchter zu mir: ‚Mami, wir sind erwachsene Frauen und keine Kinder mehr, wir informieren dich gerne, aber es ist schließlich unser Leben.‘ Ich habe mit der Zeit dazugelernt und ich denke, wir schätzen diese Freiheit und den eigenen Willen unserer Kinder. Wir schenken ihnen unser Vertrauen und wir sind immer für sie da, wenn sie uns brauchen. Die Liebe ist etwas Wunderbares, man kann sie jedoch nicht genau definieren. Sie beinhaltet so viele Dimensionen und Aspekte, dass man ihr viele Definitionen geben könnte. Die Liebe zu den Kindern ist zum Beispiel anders als die Liebe zwischen Mann und Frau, und doch ist es auch eine Form von Liebe.“ „Ich denke“, sagte Barbara, „dass die Seelenverwandtschaft
zwischen den liebenden Menschen wichtig ist, und wichtig ist auch, dass man ähnliche Interessen hat. Es muss nicht alles hundertprozentig übereinstimmen, aber zum größten Teil sollte es das tun. Es ist sehr spannend, mit dir zu diskutieren, Maya. Ich freue mich immer, wenn wir uns treffen und viel plaudern und besprechen. Du bist so ein offener Mensch, und das liegt wahrscheinlich an den zwei verschiedenen Kulturen, mit denen du aufgewachsen bist.“ „Ja Barbara, das stimmt. Dein Tee ist köstlich“, sagte Maya, „ich genieße immer die spannenden Unterhaltungen mit dir. Ich sehe aber, dass du viel Arbeit im Garten hast und ich muss die Bücher zurückbringen. Komm doch mal zu mir, dann können wir lange plaudern und diskutieren!“ „Das mache ich gerne“, antwortete Barbara. Maya bedankte sich für den Tee, verabschiedete sich und fuhr weiter zur Bibliothek in der Nachbargemeinde.
Sie grüßte andere Nachbarn und winkte mit einem frischen Lächeln. Das hatte sie immer getan, wenn sie vorbeifuhr und besonders ihr Lächeln verzauberte ihre Nachbarn. Alle moch ten sie und hatten Freude, wenn sie bei dem einen oder anderen Halt machte und mit ihnen etwas trank oder ein paar
Worte wechselte. Maya fühlte sich an diesem Tag sehr wohl. Sonnenschein und eine leichte, angenehme Brise begleiteten sie während der Fahrt. Sie dachte an ihre Familie, an ihr Haus, daran, wie schön sie es doch hatte und dass sie eigentlich viel Glück im Leben hatte. Einen lieben Mann, der sie liebte, respektierte und alles Mögliche dafür tat, damit sie glücklich war. Kluge und kultivierte Töchter und süße Enkelkinder, ein schönes, großes Haus und Freunde, die sie sehr mochten und gern mit ihr zusammen sein oder mit ihr etwas unternehmen oder einfach plaudern und ernsthaft diskutieren wollten. Sie fühlte sich glücklich und gesund. Als sie in der Bibliothek ankam, grüßte die Bibliothekangestellte sie freundlich und bat sie, die Bücher selbst zurückzustellen. Maya ging zu der angewiesenen Ecke und suchte nach dem Buchstaben, wo sie das erste Buch versorgen konnte.
Während sie mit der Bücherrückgabe beschäftigt war, näherte sich ihr ein Mann auf dem Rollstuhl. Er trug eine blaue Hose, ein weißes Hemd, eine Sportjacke und eine große, dunkle Sonnenbrille.
Er suchte Bücher und bat sie: „Könnten Sie mir bitte das Buch da oben geben?“ Maya drehte sich um, um zu sehen, wer da mit ihr redete und welches Buch er meinte. Plötzlich nahm der Mann seine Brille mit zitternden Händen ab und fragte: „Maya bist du es?“ Sie kannte die Stimme von irgendwoher! Sie schaute ihn an und rief sehr erstaunt: „Peter! Bist du es?“ „Ja, ich bin es, Peter.“

Maya beugte sich zu ihm und die beiden umarmten sich und küssten einander auf die Wangen.
„Peter, woher kommst du? Was ist mit dir los? Wo bist du gewesen? Was ist passiert? Warum sitzt du im Rollstuhl? Wie bist du hierher gekommen?“, fragte Maya mit großem Erstaunen und zitternder Stimme.
Peter nahm ihre Hände herzlich in seine und küsste sie liebevoll. „Ich wohne hier seit einiger Zeit“, sagte er, „und du, was machst du hier?“ Maya antwortete: „Ich wohne in der Nachbargemeinde und
komme manchmal hierher, um Bücher auszuleihen.“ Für einen kurzen Moment hatte sie alles um sich herum vergessen. All die Jahre, die sie ihn gesucht hatte, ihre Familie, einfach alles. Er war jetzt vor ihren Augen und saß im Rollstuhl. „Was ist passiert Peter? Warum sitzt du im Rollstuhl? Kannst
du aufstehen?“ „Nein, das kann ich nicht, der Rollstuhl ist meine Fortbewegungshilfe. Meine Beine funktionieren seit Langem nicht mehr.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen und flossen über ihr Gesicht.
Sie schluchzte und streichelte sein Haar zärtlich. Er hatte auch Tränen in den Augen und sagte: „Ich habe gedacht, ich würde dich nie mehr sehen. Deine Familie ist damals umgezogen und ich konnte eure Adresse nach all der Zeit nicht mehr ausfindig machen. Wie du siehst, bin ich nun ein Rollstuhlfahrer und kann mich nicht immer so bewegen, wie ich es möchte.“ „Warum bist du im Rollstuhl?“, fragte sie ihn.

„Das ist eine lange Geschichte und das kann ich dir nicht hier erzählen. Wenn du willst, können wir uns mal treffen und ich kann dir alles berichten.“ „Ja, gerne. Ich habe ja seit unserem letzten Treffen nichts
mehr von dir gehört. Ich habe mich in all den Jahren immer gefragt, wo du geblieben bist und was mit dir geschehen ist. Ich wusste gar nicht, ob du hier in England lebst oder weit weg von hier. Ich konnte dich nirgends finden.“ „Ja, das kann ich verstehen und ich werde dir alles erzählen.“ Sie verabredeten sich für den nächsten Tag um zwei Uhr nachmittags in einem Tea Room seines Wohnortes. Zum
Abschied küssten sie einander auf die Wangen. Er nahm ihre Hand in seine und küsste sie, nahm sein Buch, setzte seine Sonnenbrille wieder auf und fuhr mit seinem Rollstuhl weg. Maya folgte ihm mit den Augen, legte dann ihre Bücher in die Regale zurück und nahm einige neue Bücher heraus. Während ihrer Fahrt nach Hause gingen ihr tausend Fragen durch den Kopf. Wo war er all diese Jahre nur geblieben? Warum sitzt er im Rollstuhl? Was ist passiert? Ist es überhaupt richtig, dass ich mich mit ihm verabredet habe? Was will er mir wohl erzählen? Ich bin eine verheiratete Frau, Mutter und Großmutter. Mein Leben hat sich sehr gut entwickelt. Könnte ich womöglich noch immer etwas für denjenigen Mann empfinden, der mich mit einem Kind allein gelassen hat? Und wenn ja, was wären das für Gefühle? Ich liebe ja meinen Mann! Was wird Peter mir wohl erzählen? Hatte er einen Unfall? Leben seine Eltern noch? Er sagte ja, er lebe jetzt alleine. Und warum nicht im Haus seiner Eltern? Sie konnte den Fluss der Fragen nicht stoppen. Dann tauchte in ihrem Kopf plötzlich die Frage auf: Soll ich Michael darüber
informieren, was heute geschehen ist? Wieder sagte sie sich: Ich bin jetzt eine verheiratete Frau und Mutter von zwei Töchtern und bin zudem auch noch Großmutter. Soll ich wirklich zu der Verabredung gehen, um mit Peter zu reden? Nach langen Überlegungen beschloss sie, Peter zu treffen und
sich seine Geschichte anzuhören. Sie sagte sich: Es kann ja nichts passieren. Ich treffe ihn wie eine gute, alte Studienkollegin und höre ihm zu, was er zu sagen hat. Ich werde Michael später informieren. Michael weiß ja von unserer früheren Beziehung, ich habe ihm damals alles erzählt. Dann fragte sie
sich wieder: Habe ich eigentlich das Recht dazu, meine erste richtige, große Liebe wiederzutreffen?

(Sie können das Buch: Maya, wenn die Liebe erwacht, Teil 1, 220 Seite, CHF 12.-- inkl. Versand, bei info@fesk.org) bestellen.